taz vom 16.08.2019

Von Rechten und Linken verfolgt

Heinz Brandt überlebte die Konzentrationslager der Nazis und die Verfolgung durch DDR-Kommunisten.

 

Am Freitag wird ihm eine Gedenktafel gewidmet.

Panzer rollen 1953 durch eine abgeriegelte Straße Ost-Berlins

Der Arbeiteraufstand in der DDR am 16. Juni 1953. Heinz Brandt unterstützte die Arbeiter Foto: dpa

 

Wenn seine Kinder laut spielten, schreckte Heinz Brandt manchmal schreiend auf. Daran seien die Erinnerungen schuld, erzählt sein Sohn Stefan der taz. Brandt war jüdisches KPD-Mitglied, seit den 1920ern lebte er in Berlin und arbeitete als Journalist. 1935 wurde er von den Nazis zu sechs Jahren Zuchthaus verurteilt, danach in die Konzentrationslager Sachsenhausen, Auschwitz und Buchenwald verfrachtet. Brandt überlebte, kämpfte danach umso engagierter für seine politischen Ziele.

 

Am Freitag enthüllt der Senat in der Pankower Neumannstraße eine Gedenktafel zu Ehren Heinz Brandts. Nach dem Ende der NS-Herrschaft in Deutschland kehrte der Kommunist nach Pankow zurück und trat wieder in die KPD ein. Er blieb auch Mitglied, als aus der Kommunistischen Partei die SED wurde.

Doch seine Prinzipien stellte er nicht zurück, unterstützte gegen die Parteilinie die Arbeiter der Stadt. 1953, beim Arbeiteraufstand, beendete das seine parteipolitische Karriere. „Er wurde abgehalftert“, erzählt Stefan Brandt. „Nach und nach wurde er herabgesetzt, bis dahin, dass er gefährdet war, nicht nur inhaftiert, sondern sogar ermordet zu werden.“

 

Stefan Brandt erzählt von seinem Leben in der sowjetischen Besatzungszone: „Bis 1958 haben wir glücklich in Pankow gelebt. Wir sind sozialistisch erzogen worden, es war alles gut.“ Dann ein radikaler Einschnitt, seine Eltern entschlossen sich, aus dem Osten zu fliehen.

 

Entführung aus Westberlin

Die SED ließ sich Brandts Flucht aber nicht gefallen. 1961 wurde er in Westberlin von Parteiagenten entführt, in der DDR dann zu 13 Jahren Haft verurteilt. „Wenn mit 11 Jahren dein Vater weg ist und die anderen Kinder sagen: ‚Er ist im Zuchthaus, da ist man nicht ohne Grund‘, ist das schon schwierig.“ Stefan Brandt hatte zunächst keinen Kontakt zu seinem Vater. Irgendwann wurde erlaubt, ihm Briefe zu schreiben – genau einen pro Monat.

 

„Bei den Nazis wusste mein Vater: Das sind die Feinde. Dass die Linken fast die schlimmsten Feinde sind, war für ihn schwer auszuhalten.“

 

Die Entführung traf den Familienvater schwer. „Das war noch mal eine Tortur. Von Linken gegen Linke, das Schweinischste, was man sich vorstellen kann“, sagt sein Sohn. „Bei den Nazis wusste mein Vater: Das sind die Feinde. Dass die Linken fast die schlimmsten Feinde sind, war für ihn schwer auszuhalten.“

 

International gab es großen Protest gegen die Inhaftierung Brandts, deshalb wurde er 1964 freigelassen – und machte weiter: Er stieg wieder in seine Arbeit für die Gewerkschaftszeitung ein, bis er mit 63 Jahren in Rente ging. Danach kämpfte er gegen die Atomkraft. 1979 gehörte er zu den Gründern der Grünen.

 

„Er war ein gütiger, engagierter Mensch, ein guter Zuhörer. Allerdings mit wenig Zeit für die Familie“, sagt Stefan Brandt. Die Politik dominierte das Leben seines Vaters. Sich auf sie zu konzentrieren, ließ ihn auch die Konzentrationslager überleben.

 

Neben der Gedenktafel sind in Pankow bereits eine Schule und eine Straße nach ihm benannt – eine kleine Sackgasse, wie Stefan Brandt schmunzelnd erzählt. Er selbst könne heute nicht mehr im Bezirk wohnen. Emotional existiere immer noch der Ost-West-Konflikt in ihm. Die Geschichte hat Spuren hinterlassen.